Schiltach. Für die einen war er ein politisches Genie, für die anderen ein autoritärer Regent: Otto von Bismarck. Der Historische Verein Schiltach-Schenkenzell bietet einen Vortrag über das Kleindenkmal in der Stadt an, das an den "eisernen Kanzler" erinnert, der 1815 geboren wurde. Auf dem Feldberg steht einer, in Hamburg steht eins – ihre Zahl geht in die Hunderte, die Bismarck-Türme und -Denkmäler. Die oft weit sichtbaren Monumente feiern Otto von Bismarck als "Reichsgründer" und "Eisernen Kanzler". Meist entstanden sie nach Bismarcks Tod 1898, vor dem Hintergrund der unsteten Politik Kaiser Wilhelms II. und von Kanzlern, die sein Format nicht erreichten. Es entwickelte sich seinerzeit sogar ein regelrechter Kult um seine Person.Vom nationalen Bürgertum getragen, wurden dabei jedoch die Schattenseiten seiner Politik unterschlagen: das autoritäre Regieren, der Kampf gegen Katholiken und Sozialdemokraten, die er als "Reichsfeinde" ausgrenzte. Davon war 1. April 1915 aber nicht mehr die Rede, als sich Bismarcks Geburtstag zum 100. Mal jährte und eine neue Welle der Bismarck-Verehrung durchs Land ging: Seit acht Monaten kämpften deutsche Soldaten in blutigen Schlachten. Da kam das Jubiläum gerade recht, um das leidende Volk aufzurichten. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits 19 Schiltacher und sieben Lehengerichter ihr Leben "fürs Vaterland hergeben müssen"; mehr als 200 standen "im Felde".

Was Bismarck in dieser Zeit für die öffentliche Stimmung bedeutete, gaben die Zeitungen vor: Er führte die Deutschen mittels "Blut und Eisen" und erweckte in ihnen die "stolze Gesinnung, die jetzt hilft, das Reich siegreich zu verteidigen." So wurde der "eiserne" Kanzler zum Anker, was auch in Schiltach sein Echo fand: Bahnhofsvorstand Boos, Pfarrer Ziller und andere "Verehrer des großen Staatsmannes" hatten die Idee eines Bismarck-Denkmals. Mit "vereinigter Kraft" stellten sie im Juni 1915 in der damals neuen "Bahnhofsanlage" einen 35 Zentner schweren Granitfindling auf, mit der Inschrift: "Unserm Bismarck 1815 bis 1915". Sie hatten den Wunsch, dass "er all den Vorüberziehenden die Treue, Wahrheitsliebe, Tapferkeit und Religiosität, mit welcher unser Bismarck dem Vaterlande diente, dankbar vor Augen stellen möge." Der "Bismarckgedenkstein" – der einzige in der weiteren Nachbarschaft – wurde sogleich Ort vaterländischer Feiern, so am Großherzogsgeburtstag im Juli 1915, als sich "ein stattlicher Zug unter Vorantritt der Stadtmusik und Schuljugend" dorthin bewegte. Der Pfarrer hielt eine Rede, "die in einem brausend aufgenommenen Hoch auf unser großes deutsches Vaterland ausklang." Beim Frühschoppen gab es Trinksprüche auf "unser ruhmreiches Heer" und "unsern erhabenen Kaiser". Sie fanden "begeisterten Widerhall, Zeugnis gebend, dass in unserer Gemeinde der vaterländische Gedanke bodenständig ist."

                               Mit dieser Art nationaler Feiern war es nach dem Ersten Weltkrieg erst einmal vorbei. In den Vordergrund trat die Ehrung der 150 Gefallenen, für die 1925 auf dem Schrofen ein "Kriegergedenkkreuz" errichtet wurde. Der "Bismarckstein", wie man ihn bald nannte, blieb an seiner Stelle – bis heute. Die Stadtverwaltung ließ ihn als Kleindenkmal jüngst renovieren.

 

 

 Am Mittwoch, 28. Mai, berichtet der Historische Verein in Schiltach über Kleindenkmale; zudem am Dienstag, 13. Mai, 19 Uhr im Haus des Gastes in Schenkenzell.